Was haben Fußball & Glaube gemeinsam?

Ein theologischer Impuls von Dr. Thorsten Latzel

 

Fußballerisch ist am Ende der Bundesliga-Saison und kurz vor der EM gerade viel los. Als evangelische Kirche begleiten wir das mit Gottesdiensten und Beiträgen. Von Journalist-/innen und Bekannten bin ich jetzt wiederholt gefragt worden: Das ist ja alles gut und schön. Aber warum macht ihr das eigentlich? Was haben denn Glaube und Fußball miteinander zu tun?

 

Dazu fünf kurze Blitzlichter:

1. Es geht um Leidenschaft pur.

Wer einmal in einem großen Stadion war, kennt das Gefühl: Wenn 50.000, 60.000, 70.000 Menschen aus voller Kehle singen: „Mer stonn zo dir FC Kölle“ (Köln), „You never walk alone“ (Dortmund), „Elf vom Niederrhein“ (Gladbach), „Mit dem Kreuz auf der Brust“ (Leverkusen).

In normalen Gottesdiensten haben wir bei Emotionen, Fangesängen und Choreographien manchmal noch Luft nach oben. Doch gerade in den Psalmen und vielen Kirchenliedern ist etwas von Leidenschaft der Liebe Gottes spürbar: von Schönheit und Größe Gottes, die in der ganzen Schöpfung erstrahlen. Im Glauben haben wir Teil am Lobgesang der Schöpfung.
 

2. Es geht es um starke Geschichten.

Als Fußballfans erzählen wir die Geschichten der Siege, der Niederlagen, der epischen Kämpfe der eigenen Mannschaft. „Weißt Du noch, beim Finale, das Elfmeter-Schießen ...“ In diesem Jahr etwa der tragische Abstieg von Köln oder der dramatisch gescheiterte Aufstieg von Düsseldorf. Bei Leverkusen dagegen geht das Jahr 2024 mit dem Double sowieso in die Annalen ein – und Alonso steht kurz vor der Heiligsprechung.

Als Christinnen und Christen sind wir Teil einer 3000-jährigen Erzähl und Hoffnungsgemeinschaft. Wir leben aus dem unsterblichen Gerücht von der Auferstehung des gekreuzigten Christus, von dem Tod des Todes und dem Sieg der Liebe Gottes. Wir erzählen die starke Geschichte unserer Mütter und Väter im Glauben. Und wir geben das Evangelium weiter in die nächste Generation.

 

3. Wir sind Teil von einem großen Team.

Beim Fußball geht es zunächst um das Team der 11 am Platz – und dann von den vielen im selben Trikot, die mitleiden und mitfeiern. Beim Glauben beginnt es am Anfang mit dem Team der 12 – und geht dann weiter mit den vielen, vielen, die sich zu Christus zählen.

Heute sind wir in der Ökumene sind wir zum Glück aus den Zeiten raus, als sich die Fans von Fortuna Rom und vom 1. FC Wittenberg prügelten. Und es wächst immer mehr das ökumenische Bewusstsein, dass wir gemeinsam Teil des einen Christus-Teams sind – mit verschiedenen Fangemeinschaften. Und in dem Christus-Team darf jede und jeder mitspielen, ganz gleich, woher jemand stammt, wenn sie oder er liebt, ob reich, arm, dick, dünn oder wie auch immer.

 

4. Es gibt in beiden nur einen einzigen Gott.

Jürgen Klopp hat das einmal in der für ihn typischen Weise klar formuliert: O-Ton Kloppo: „Um das ein für alle Mal zu klären. Es gibt zwar keinen Fußball-Gott, aber ich glaube, dass es einen Gott gibt, der uns Menschen liebt, genau so, wie wir sind, mit all unserer Macken. Und deswegen glaube ich, dass er auch den Fußball liebt! Nur: die Kiste müssen wir schon selber treffen.“

Ja, ich glaube: Gott liebt Fußball – weil Gott uns Menschen liebt. Ja, ich glaube: Gott liebt Fußball - weil Gott gute Geschichten mag Und wenn Jesus heute lebte, würden seine Gleichnisse sicher auch vom Fußball handeln: vom Fairplay des syrischen Mitspielers, von sich versöhnenden Fans, nachdenklichen Funktionären oder frommen Schiedsrichterinnen, und von der Liebe Gottes, die sich in ihrem Handeln spiegelt oder eben auch nicht.

 

Und 5. Es geht in beiden um ein zweckfreies, schönes Spiel

Fußball ist erst einmal zu nichts gut, er ist einfach schön in sich. Und es ist wichtig, ihn vor zu schneller Verzweckung zu schützen. Denn natürlich könnten sich die 22 Profi-Spieler auf dem Platz auch alle einen eigenen Ball kaufen. Geld genug hätten sie ja. Dass sie alle einem einzigen Ball nachlaufen, ergibt an sich keinen Sinn. Aber: Es ist schön und macht Freude.

 

Auch der Glaube hat zunächst mal keinen Zweck, keinen Nutzen – auch nicht den, irgendwelche Werte zu vermitteln. Glaube ist schön in sich, weil es in ihm um die Freiheit geht: die Freiheit, das eigene Leben zu spielen. Einfach vor Gott da sein, aus lauter Lust am Leben und am Lieben. So wie es in der Bibel heißt, dass die Weisheit am Anfang vor der Schöpfung frei vor Gott spielte. (Spr 8,22ff.) Gott schuf uns, um in Freiheit, Schönheit und Liebe zu einander zu spielen.

 

In diesem Sinne wünsche ich allen Fußballfans für die kommende Europameisterschaft: Momente großer Leidenschaft; dass wir gemeinsam teilhaben an einer großen Geschichte; starke Teams, bei denen es Freude macht, zu ihnen zu gehören; schöne, unverzweckte Spiele – und vor allem, dass der eine Gott seine Hand segensreichen darüber hält und mit Freude unserem Spiel zuschaut. Dem Spiel auf dem Rasen wie dem auf den Tribünen und Straßen.